Das All-Leben. Ein gekürzter Auszug aus “Das Denken beginnt mit dem Lachen”, S. 90-93. Aus dem Kapitel: Der Mensch als der Schlüssel der alle Schlösser der Welt öffnet.

Das All-Leben. Ein gekürzter Auszug aus Manuchehr Jamali und Gita Yegane Arani-May:  “Das Denken beginnt mit dem Lachen”, S. 90-93. Aus dem Kapitel: Der Mensch als der Schlüssel der alle Schlösser der Welt öffnet.

Die Schöpfung ist in der arthaischen Weltanschaung die Weltwerdung oder Hauswerdung Gottes

Der Name Gott (Xva-taay) ist in der Zusammenhangslosigkeit, das heißt allein stehend, sinn- und gehaltlos. Gott ist dann ein wirklicher Gott, wenn er zu Etwas wird oder sich wandelt. Die Fähigkeit selbst etwas zu werden, sich zu etwas zu wandeln, bildet die wichtigste Eigenschaft eines Wesens. Dieser Gedanke rührt von der Auffassung über das Primärsein der Bewegung und der Tat in der arthaischen Kultur. Gott schafft nicht durch das Wort, sondern durch die Fähigkeit sich zu bewegen, sich zu verwandeln, sich fortzuentwickeln und etwas zu tun. Und hiermit gewinnt der Gott als „Haus-Gott“, „Welt-Gott“, „Land-Gott, „Pflanzen-Gott“, „Wasser-Gott“ oder auch „Erd-Gott“ an Bedeutung und Sinn.

Die Schöpfung ist in der Weltwerdung das „selbst zum eigenen Heim, Haus oder der Wohnstätte werden“. Gott wird in der Weltwerdung seine eigene Heimat – Gott wird sich selbst zum eigenen Heim. Gott wird erst Gott, indem er sein Haus aus sei-nem eigenen Stoff und dem Leben baut. Der Begriff Giyaak („Ort“) trug daher auch eine außerordentliche Bedeutung. Gott wird erst in der Welt, als seinem Haus, verwirklicht und ist vorher kein Gott. Die Welt ist der zum „Haus“ gewordene Gott. Sie ist der reelle und wahre Leib und das Leben Gottes.

Die Welt besteht, gleich dem Bild der Ähre, aus zusammengeschlossenen Häusern, worin in jedem der gleiche Gott andersartig verwirklicht ist. Gott wird in seiner Konkretisierung zur Vielfältigkeit. Und Gott ist in der Weltwerdung zur „Welt-Stadt“ geworden, denn er wohnt in jedem Haus und ist dort geborgen und verborgen, da er selbst – in seiner Eigenschaft zur Mauer und zum Tor zu werden [Anmerkung zu diesem Auszug: hier liegt ein Bezug auf eine andere Textstelle im Buch vor!] – die Unantastbarkeit des Lebens als Prinzip der Geborgenheit verwirklicht.

[…] Gottes Häuser sind die Verwirklichung der Geborgenheit des Lebens, als Schutz vor jeglicher Verletzung und vor jeglichem Leid. Gott wohnt in jedem Haus und öffnet sich wenn jemand sich lebensbejahend (und friedesuchend) annähert, und Gott verschließt sich wenn jemand mit Zorn (mit Gewaltsinn und furchtauslösend) kommt. Gott und das Göttliche wird und wandelt sich in jedem Leib zur Xrad ( Xratu = Xra + rathu ), die der Wächter und Paanaag = engl. „guard“ und der Paas-nigaastaar des Lebens in dem Haus ist. Das deutsche Wort „auf-passen“ entspricht diesem Wort paas im Persischen, das „schützen“ und „aufmerksam sein“ bedeutet.

Das Geborgensein oder das Geschütztsein des Lebens, das im Haus hinter der Mauer und dem Tor verborgen liegt, wird durch die Xrad gewährleistet. Der Bau des Hauses als das Gebor-gensein und Geschützsein vor jeglicher Verletzung = Panaah az Gazand, ist der Sinn und der Zweck des Hauses auch im Schahnameh (in der Erzählung von Jamschid). Panaah, das das Geborgen- oder Geschütztsein des Lebens bedeutet, und auch das Wort Negah-baane Djan = „Wächter des Lebens“ = „der das Leben mittels seines Blickes oder seiner Xrad frei von Angst und Leid hält“, sind genau dasselbe Wort Paaneh, das als Paan = Baan im Persischen zur Endsilbe vieler Wörter geworden ist.

Der Balken, der hinter zwei Türflügeln angebracht wird, heißt auch Paaneh. Und wie auch Mithras, Manthre und Kadeh (Kaat, Kad, Kat), versinnbildlichte er die Geborgenheit des Lebens ge-genüber den ‚Gegensätzen des Lebens’. Die Derwische im Iran haben sich, indem sie sich auf die Überlieferungen und die noch lebendigen Traditionen bezogen, selbst auch mit dem Namen „Ghalander“ bezeichnet, als einem Begriff der den Gedanken der Unantastbarkeit und der Heiligkeit des Lebens zum Ausdruck brachte [Anmerkung zu diesem Auszug: hier liegt ein Bezug auf eine andere Textstelle im Buch vor!]. […]

Der menschliche Leib ist der hausgewordene Gott

Dass Artha ihre Weltwerdung als Hauswerdung vollzieht, sieht man bereits an der Vorstellung über den Aufbau des Menschen. Farvard (Artha Farvard) ist das Feuerkorn, das den Lebenskeim des Menschen bildet. Farvard ist die wachsende, sich erhebende und aufbauende Kraft, die den menschlichen Leib als ihr Haus errichtet (in den ‚Auswahlen des Zatspram’). Gott ist der Maurer oder Architekt seines eigenen Hauses, er bildet den Leib als seine Wohnstätte. Der menschliche Körper ist das Haus, das Gott (Artha) aus sich selbst baut um darin zu leben. Gott wird Tan, die körperliche materielle Welt und die Tankard = „Verkörperung“ wurde gleich einem Hausaufbau verstanden. Im Schahnameh wird das „die Welt schön zu ordnen“ (das die Politik und das Herrschen bezeichnet = a-rastan = a-radhenitan) auch mit dem Hausaufbau gleichgesetzt. Der Körper jedes Lebewesens wird als ein Haus verstanden, wo das Leben verborgen, in Geborgenheit ist. Diese Idee des Hauses versinnbildlicht überhaupt die Grundidee des iranischen Welt-verständnisses. Die Welt und ihre Geschichte in der Zeit ist ein Aufbau eines Hauses.

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