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Eigene Probleme

Der Iran (u. der ganze Mittlere Osten) hat das Problem, dass die westliche Welt, Land, Gesellschaft und Kultur immer auf irgendeine Religiosität zurückführen will. Der Westen datiert die Kulturgeschichte schlichtweg auf die Bibel als Ausgangspunkt zurück, während er sich selbst vorbehält, zumindest auf die Antike unabhängig zur religiösen Entwicklung seit des Christentums zurückgreifen zu dürfen.

Der Orient hat seine alten Wurzeln zum Großteil gegenwärtig vergessen, der Westen sieht dessen alten Wurzeln als heidnischen, nicht-rekonstruierbaren Mist. Geschichte und Ursachen ethnischer- u. ethnisch-religiöser Konflikte werden dadurch nicht erhellt u.: die eigene Renaissance / Aufklärungsphase nach eigener Façon wird im Westen kaum wahrgenommen werden u. durch allg. Machtinteressen involvierter Parteien kaum stattfinden können.

palang yegane arani

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Das Denken beginnt mit dem Lachen

Simorghi / سیمرغی

a philosophical journal on secular mysticism and iranian culture

Jahrgang 3 / Volume 3

Simorghi, Jahrgang 3, Nr. 1, ISSN 2701-374X, Mai 2022. Das Denken beginnt mit dem Lachen: Die unsterbliche Kultur des Iran.

Via dem DNB-Server: https://d-nb.info/125739634X/34 ; Katalogeintrag: https://d-nb.info/125739634X/

Das Denken beginnt mit dem Lachen: die unsterbliche Kultur des Iran (überarbeitete Version)

Im Jahr 2009 haben Manuchehr Jamali und ich in Eile unser gemeinsames Buch „Das Denken beginnt mit dem Lachen: die unsterbliche Kultur des Iran“ herausgebracht. In dem Jahr zeigte sich die Wehrhaftigkeit eines großen Teils der iranischen Bevölkerung bei den Demonstrationen nach den Präsidentschaftswahlen auf den Straßen Irans. Das Regime begegnete dem Widerstand mit äußerster Gewalt und konnte so über Jahre sicherstellen, dass augenscheinliche Ruhe gewahrt werden musste.

Jamali und ich betrieben schon viele Jahre gemeinsam im Netz Seiten, insbesondere www.jamali.info, auf denen wir mithin auch versuchten andere säkulare politische Aktivist*innen zu unterstützen. Wir schrieben an unserem Buch und ich hatte zu der Zeit kein Autokorrektur-Programm auf meinem Computer – man glaubt es kaum – und auch hatte ich leider zu dem Zeitpunkt damals niemanden, der mir alle Kapitel hätte Korrektur lesen können. Die Idee zu dem gemeinsamen Buch entstand spontan. Ich betrieb die Webseiten von Jamali über seine philosophischen Ansätze und war somit mit vielen seiner Gedanken vertraut, obgleich ich mich auch bis heute eher unsicher und bevorzugt schriftsprachlich in der persischen Sprache bewege (was mir meine iranischen Verwandten und Freund*innen kaum verzeihen). Zudem waren mir die Inhalte von Jamali auch vertraut durch unsere Gespräche miteinander und zu dritt mit Farangis G. Yegane.

Die Auseinandersetzung mit einem säkularen Mystizismus im Erbe früher iranischer Kultur, setzt das in eine denkerische Praxis um, was man als ein passendes, in dem Fall kulturspezifisches Pendant zur heutigen Diskussion über eine Dekolonialisierung im Denken verstehen könnte.

Jamali erkannte bereits während seiner Studienaufenthalte in der BRD der Nachkriegszeit, wie wichtig es ist, sich mit den philosophischen Ansätzen des eigenen Kulturraumes zu befassen. Durch die Kontrastierung und das In-Verhältnis-Setzen westlicher Philosophien und von Rezeptionen klassischer philosophischer Ansätze der Antike beispielsweise, wurde ihm früh klar, was im iranischen Kulturgebiet und dessen Sprachraum gedankliche Dimensionen und Blickwinkel waren, die keinesfalls sowohl im Zuge akademischer Westzentriertheit als auch der politisch-religiösen Problematik, der sich der Iran gegenüber sah und sieht, verloren gehen dürften.

Unter der Gemeinschaft iranischer Exilant*innen tat man sich schwer mit einem Ansatz, der sich gedanklich in fast archäologischer Weise an die Literatur und die Philosophien des eigenen Kulturkreises annäherte und diese mit zeitgenössischer Philosophie und Politik verband. Im Westen „angekommen“ wendete man sich eher den Idealen sozialistischer Nüchternheit und einem einhergehenden Pragmatismus zu oder aber auch den Kompatibilitäten mit kapitalistisch-orientierenten Lebensentwürfen, Neoliberalismus und den allgemeinläufigen Vorstellungen über ein gesellschaftliches sowie individuelles Konformitätsstreben, das sich an den jeweiligen politisch-hegemonialen Prozessen ausrichten wird. Von beiden westlich-zentrieren Achsen her konnte man nun schließlich aber auch eine „Renaissance“ (und einer damit einhergehenden und Kompatibilitätsschaffung) erlernter religiös-politischer Herrschaftsvorstellungen herbeisehnen, als vermeintliche Alternative und Rückbesinnung auf die geschichtlichen Wurzeln im Orient.

Die Auseinandersetzung mit immerhin doch tradierter „alter Geschichte“ aus der eigenen Kultur, mit dem Fokus auf die iranische Sprache als etymologisch wichtigem Gegenstand, schien trotz allem Nationalstolz und trotz aller augenscheinlichen, aber vielleicht doch etwas vordergründigen Kulturpflege, vielen Zeitgenoss*innen einfach nicht nachvollziehbar und als philosophisch-kulturellen Ausgangspunkt nicht tragbar. Sicherlich ist auch heute die Synthese von Mythologie und Philosophie, die eigentlich zwei voreinander untrennbare Themen seien müssten, eher ein Außenseiterthema. Die Vorstellung frühe Geschichte sei ab einem gewissen Punkt zwangsläufig mit irgendeinem Grad an Primitivität gleichzusetzen – gleich wie die Bewertung vermeintlicher Primitivität ausfällt – begegnet uns in der Gegenwart immer wieder.

Jamali hat sich neben seiner Schriftstellerei und seiner Tätigkeit als Herausgeber oppositioneller, pro-demokratischer Meinungsvielfalt in den Jahren zwischen 1960 und 1985 als Galerist mit Hauptsitz in London mit der Kuration und der musealen Repräsentation archäologischer Kunst befasst, mit den Schwerpunkten auf griechische-, römische- und byzantinische Kunst, und im spezifischen mit Ausnahmekunst. Kultur als ein Kontinuum voller innerer Abzweigungen, war für Jamali Gegenstand der kritischen Auseinandersetzung und der Kulturanalyse.

Sprache und Inhalt zusammenzusetzen, gleich einem archäologischen Restaurierungsprozess, mutet in der sprachlich-praktischen Umsetzung vereinfachend an, weil man in die Grundlagen von Sprachen eintaucht. Dies sind überraschende Prozesse, da uns in der Regel alte bildlich-arbeitende Ausdrucksweisen fern sind – und noch ferner, wenn wir westlich geprägt sind, sind uns alte Begriffsbildungen mit Morphemen, die sich nicht auf das Altgriechische oder das Lateinische zurückführen lassen. Eine Annäherung an Mythologeme und damit im Zusammenhang stehende Denkmöglichkeiten ist aber kaum anders möglich als mit einem sich Heranwagen an die alten Bilder und Geschichten und die sprachlichen und inhaltlichen Fragmente.

Ich korrigiere hiermit also nochmal unser Buch über eine frühe iranische Bezugnahme auf das „Sein in der Zeit“ – wie es im Schahnameh Bezeichnung findet. Ein Zeitbegriff und ein Begriff des „in der Welt seins“, der sich säkular-mystisch betrachtet, und sich nicht auf unsere gedanklichen Territorialbegriffe begrenzen lassen muss.

Gita Marta Yegane Arani, Usingen 2022

 

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Manuchehr Jamali und Gita Yegane Arani-May

Hintergründe des Mithraismus und seiner persischen Wurzeln: Was bedeutet das mithraistische Symbol des erhobenen Stierschwanzes mit der dreiteiligen Ährenkrone?

Warum wächst die Ähre auf dem erhobenen Stierschwanz?

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Dieser Text in: Philozoe, zum Beispiel Mithras II

Kein Rind hebt seinen Schwanz steil erhoben hoch und an keiner Schwanzspitze eines Stieres wachsen drei oder eine Ähre. Auf welche Art der Weltanschauung weist diese Verbindung von tierischem Leben mit der Pflanzenwelt hin? Das Bild und das gedankliche Konzept der „Ähre“ waren von zentraler Bedeutung in der Symbolik der frühen iranischen Weltan- schauung und in deren Religionsvorstellungen. Ihren Anschauungen zugrunde lag eine Gleichsetzung von Wachstum und Geburt.

Das persische Wort Tokhm bedeutet „Pflanzensame“ und auch „Sperma“. Kashtan, das „das Säen von Pflanzen“, die „Aussaat“, bezeichnet, bedeutet auch „befruchten“. Der Begriff Tokhm (Same) wurde gleichgesetzt mit dem Begriff des Feuers. Das brennende Feuer war aber hiermit nicht gemeint, sondern in jedem Samen liegt ein nichtbrennendes Feuer (eine Wärme = die schöpferische Dynamik und Mithra = Liebe) verborgen. Das Leben (Djaan = Gi = Gaya = Gi + Yaan) an sich wurde auch Tokhme Atesh = „Feuersame“ genannt. Der Begriff wakhsch, „wachsen“, bezeichnet zugleich das Wachstum und das Entflammen, beides zusammen. Die frühe iranische zentrale Gottheit war verbildlicht als eine Sammlung von Feuerwürfeln, und „die Ähre“ – das Bild, das diese Gottheit primär versinnbildlichte – setzte man auch mit den „Feuerwürfeln“ in einem Feuerherd gleich.

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Jeder „Same“ (das pflanzliche, das tierliche oder das menschliche Lebensfeuer: „Atashe Jaan“) hat durch ein in ihm verborgenes Feuer den inneren Drang „sich zu erheben“ und sich eine äußere Form zu geben, vom Dunkel des Innern heraus zur Sichtbarkeit. Jeder Samen der zu Boden fällt, erhebt sich, strebt aufwärts, durch diesen als solchen begriffenen „Wind“ (Luft = Atem = Feuererzeuger = Entflammer = Azar Forouz) der motivierten Bewegung und ragt empor (entsteht). Etwas „ist“ wenn es rechtens hochsteht. Das verborgene Lebensfeuer aber entzündete sich durch den Wind = Waaaz = Waay.

Die iranische Gottheit nannte man auch Waaye beh = „guter Wind“ und Naaye beh = „gute Flöte“. Die gute Flöte ist die Quelle des Lebenswindes, des Lebenshauches und des Lebensfeuers. Der gute Wind, der gleichzeitig eine Weise, eine musikalische Melodie ist, wurde mit der „guten Flöte“ identifiziert, die man wiederum auch als „die Jungfrau“ bezeichnete.

Die Trompeten und die großen Blasinstrumente, die die alten Iraner im Krieg gebrauchten nannte man Gaw dum = „Rinderschwanz“. Ein gutes Pferd bezeichnete man auch als „Bambus-“ oder „Schilfrohrschwanz“ (Khayzaran dum = wörtl. Bambus-Schwanz).

Das „Pferd“,  Asb,  wird  in  der  klassischen  iranischen  Literatur  auch  Bad-e  Djaan  = „Lebenswind“ gennannt. Bad ist der „Wind“ = Waay, und Waay wiederum ist die „Naaye Be“ (die gute Flöte). Die Bezeichnung Bad-e Djaan weist auf die Verbindung des „Bambus- schwanzes“ mit einer schöpferischen Eigenschaft hin: Der „Wind“, Bad, ist „Waaye be“, und das ist auch der Titel der iranischen Gottheit gewesen. Der Schwanz stand für den Ort der Wiederschöpfung.

Was hat der Schwanz eines Rindes mit einer Posaune zu tun? Das Wort Dum = „Schwanz“ bedeutete nicht nur „das Ende“ im Sinne des Punktes an dem etwas abschließt, sondern auch „Ort der Wiederauferstehung“. Dombale bedeutet ebenso „Schweif“ und „dombale chizi raftan“ heißt einer Sache nachgehen. Das Wort Dombale bedeutet aber auch „Fortsetzung“ und in dem Sinne „Spitze“.

Die Pfauenfedern hießen Dume Tavoos = „Pfauenschwanz“. Der Pfau wurde wegen seines bunten Schwanzes als der Vogel der Wiederauferstehung oder der Erneuerung bezeichntet (Frash-murw).

Im Persischen heißt der Weizen Gan-dum = Gund-dum, was soviel bedeutet wie: „Leben am Schwanz“ oder „Ähre (Gund) am Schwanz (Spitze)“ und er war ein Wiederauferstehungs- symbol. Weil sich am Ende eines Tierschwanzes häufig ein Büschel Haare befindet und am Schwanz der Vögel ein Fächer von Federn wächst, und da das Haar in dieser damaligen Weltanschauung eine besondere zentrale Rolle spietle, können wir diese Art der Gleichsetzung soweit erklären.

In den Pahlavi-Texten wird das Haar mit den Pflanzen gleichgesetzt, doch das Haar (Muy = Mu = Giss) trug im Persischen ursprünglich die Konnotation der „Flöte“. Das Wort Musik selbst, das sich aus den Morphemen Mu-se (Muse = Musi) zusammensetzt, heißt „drei Flöten“ = „Flöte“ – woraus sich auch der Entstehungszusammenhang des Wortes erklären lässt.

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Der Vogel (Mare-gha = Tan-guria) steht als Verkörperung des Ursprunges der Welter- neuerung und gerade die Erdgöttin, die im Shahnameh-Mythos Gave Barmaye (Kuh von Barmayun) genannt wird, wird dort beschrieben als „die mit Pfauenehaaren (des männlichen Tieres) als Schwanz“.

Den Schwanz verbildlichte man auch als Feuer, als Flamme und als Ähre. Das Wort Dum = „Schwanz“ bedeutet im Persischen auch „Feuer“ und „Flamme“.

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Die Ähre, die aus den verbundenen Körnern bzw. Samen besteht, wird in der iranischen Mythologie auch mit brennbaren Feuerwürfeln gleichgesetzt. Die Gottheit, die Ursprung allen Seins und das Urelement allen Lebens ist = Artha, ist die Göttin des Feuers und der Samen („Feuerssamen“). Alle Urelemente des Lebendigen werden als Feuersamen begriffen, durch die Gleichsetzung von „Feuer“ und „Samen“. So wurde die Ähre wie eine Feuerflamme oder auch eine brennende Fackel dargestellt. Das Wort „Soak“, das auch Weizenähre bedeutet, trägt gleichermaßen die Bedeutung der „Feuerflamme“.

Hierin sehen wir auch den Grund, warum Cautes = Raschn, und Cautopates = Sorousch – Raschn und Sorousch entsprechen mythologisch in ihrer Rolle und Funktion den Gestalten des Cautes und Cautopates im Mithraismus – eine Fackel in ihrer Hand tragen und warum Sorousch (Cautopates) im Schahnameh Haare hat, die bis zur Erde reichen. Die Haare am Kopf wurden mit dem Symbol dreier Ähren gleichgesetzt.

Sorousch und Raschn waren beide „Feuerentzünder“, sie waren diejenigen, die das Feuer entzünden. Dieses Feuer-Entzünden repräsentierte die Wiedergeburt und die Neu-Schöpfung. Der   Begriff   des   „Feuerentzündens“   bedeutete   das   „zum   Leben   erwecken“   und „Wiedergeburt“. Sorusch, Raschn und Artha wurden aus diesem Grunde alle als Kavat:

„Neueröffner“ bezeichnet. Die Göttin Artha nannte man in der Region Sijistans (Sistan) Kavat. In der persischen Literatur ist Kavat die „Türschwelle“. Die Gottheit Artha wird durch den 1. Monat der Jahres (Farvardin) symbolisiert. Sie ist die Eröffnerin des Jahres. Die Türschwelle (Kavat) verbildlicht den Gedanken der Eröffnung zum Neuen. Cautes und Cautopates eröffnen das Tor zum Tag, sie verkörpern die Schwelle zwischen Nacht und Tag.

Raschn und Sorousch tragen gleich Geburtshelfern den Sonnensamen, der zyklisch zu jeder Mitternacht zur Entstehung kommt, und verhelfen diesen Keim zur Geburt. Cautes (Caut-es) entspricht dem Wort Kavat, das wie bereits gesagt Erneuerer, Neueröffner und Schwelle bedeutet. Cautopates (Caut-o-pat-es) bedeutet der Partner (der andere Teil des Paares oder der Zwilling) und er ist der Mitarbeiter des Cautes. Diese beiden haben die Aufgabe die Wiedergeburt oder Wiederauferstehung (Frashgart = ‚Frischwerdung’) zustande zu bringen. Cautes ist in einer Reliefdarstellung aus Carnuntum (Österreich) dargestellt mit der erhobenen Fackel (Flamme) in der rechten Hand und einer Ähre in der linken Hand.

Die iranische Gottheit hieß Arta-Xusht, „Artha, die Ähre“

Die frühe zentrale iranische Gottheit war verbildlicht als eine Ähre. Ihre Samen oder Feuersamen (Artha = Axv = Praan = Fran) waren die Urelemente allen Lebens in der Welt. Diese Feuersamen sind in jedem Leib ( = Tan, das auch Mutterleib und Feuerplatz oder Herd bedeutete) geborgen und mit dem Körper geeint. Dies wurde als Liebe (Mithra = Maetha) und Vereinigung des göttlichens Wesens mit der weltlichen Materie verstanden.

Die Schöpfung (A-fri-dan) war ein sich zu allem lebendigen Verwandeln (fri = lieben) und sich mit allem Verbindendes. Maetha, aus dem später das Wort Mithra entstanden ist, bedeutete 1. Paar und 2. Vereinigung.

Die Gottheit wurde auch Artha-vahisht, And-o-hesht und Artkusht genannt. And bedeutet in Sanskrit „Samen“. Artha oder Ard war das „Urelement“ von allem Lebendigen. Das Wort heshtan (va-heshtan) und vaheshtan bedeutete „die Samen in die Erde zu pflanzen“ oder die geschlechtliche Befruchtung im Mutterleib. Der Begriff Va-hisht wird von den Zoroastriern als „das Beste“ übersetzt und als „das jenseitige Paradies“ verstanden. Behest, das dem Wort Vahisht entspricht, heißt im Persischen noch heute „Paradies“.

Das Bild bzw. das Konzept der „Ähre“ stand einerseits für 1. die Verbindung und die Vereinigung allen Seins und von allem Lebendigen (Liebe) und 2. andererseits für den Reichtum der Variationen, der Mannigfaltigkeiten, der Verschiedenheiten. Das Bild der Ähre stellt nicht die Wiederholung gleicher Teile dar; die Körner, die die Samen sind, sah man als das erste Element aller unterschiedlichen, verschiedenartigen Wesen. Die Ähre trug kein Korn das dem anderen glich, sondern stellte den Ausgangspunkt der Diversität dar. Die Gottheit war der Ursprung aller Andersartigkeit, aller Verschiedenheit und aller Farben. Der Gottes- Samen (Artha) verwandelte sich in der Schöpfung zu allen verschiedenartigen Formen und offenbarte sich in der Diversität. Der Urzustand (Tokhm bedeutet in seiner Form „Tum“ auch „Dunkelheit“) selbst blieb aber dunkel, ungreifbar und unsichtbar. Das heißt, wenn die Gottheit sichtbar wurde, so wurde sie allein in den Verschiedenheiten sichtbar. Ihre Unsichtbarkeit war der Zustand des Dunklen. Solch eine „Ähre“ war dieser Gott.

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Das Wesen der Gottheit, das auch in jedem ihrer Samen gleichermaßen lag, bestand aus der Zusammengesetztheit zweier Prinzipien oder Kräfte. Das Gottheitsbild wurde daher auch „Hu-vis = gute Zweiheit“ genannt.

Einerseits war die Gottheit eine Ähre (als Bild des gebundenen Samens, „das zusammengesetzte Feuer“) und andererseits war sie das Lebenswasser (alle Liquiden, die Essenz der Pflanzen und das Blut oder die Milch der Tiere und der Menschen nannte man „Wasser“ = Ape = Awe). Durch die miteinander verbundene Zweiheit wurde das Wesen der Gottheit als eine Trinität verstanden, die veranschaulicht wurde in unterschiedlichen Formen wie der Dreiblättrigkeit, der Dreisämigkeit, Dreiäugigkeit, Dreifüssigkeit, drei Ähren habend, drei Flöten usw.

Die Art der Gebundenheit zweier Füsse oder eines Paares Flügeln oder aber auch des Wassers mit dem Samen und des Körpers mit dem Lebensfeuer, war eine Gebundenheit durch ein „unsichtbares Drittes“. Diese Verbundenheitsform war das, was als „Mithras“, Maetha = Paar und Vereinigung verstanden wurde.

Das Wort „Ähre“: Xushe (Xushu = Ukushu) bedeutet im Sogdischen die Zahl Sechs. Das heutige Wort „Sechs“: Shesh im Persischen setzt sich aus She + She = Se + Se = 3 + 3 zusammen. Das Bild und die Symbolik der „Khushe“ selbst ist das dreier Paare = 3 x 2. Art- xusht ist eine Ähre, die drei Paar Samen trägt. Die „Ähre“ wurde mit der Sternengruppe der Plejaden gleichgesetzt, die im Persischen auch als „Sechsling“ bezeichnet wurden.

Der Grund warum Mithras mit dem Dolch die Ader des Urrindes durchschneidet, lässt sich folgendermaßen erklären: Drei Blätter wachsen aus dem Blut, das den Adern entströmt. Im iranischen Mythos, im Buche Bundahishn, werden die Ader und das Blut mit der Gottheit Arthakhusht gleichgesetzt. Das heißt, die Adern wurden mit dieser Gottheit identifiziert und die Hauptschlagader, die aus dem Herzen kommt und sich in zwei Teile teilt, wurde nach ihr „Aorta“ genannt. Man nannte die Gottheit Artha auch Urt (Urt-vahisht).

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Das Wort, das später nurnoch Xushe = „Ähre“ lautete, setze sich urspünglich zusammen aus Axv + she (Axv + 3) und hieß ursprünglich Axushe = Ukxushe. Dieses Wort bedeutete „drei Ursamen“. Axu ist das „Ur-Seins-Element“. Es ist das Grundelement des Seins und des Lebens, und es ist auch das „an sich sein“ (das Selbst). Das Endsuffix She entspricht dem „Se“, das heißt der Zahl Drei. Akhusche ist im Persischen Mythos das dreiteilige Urelement, die Ursamen (Axv = Xva = Uva).

Das Axv bildet das Zentrum der 5-teiligen Lebenssubstanz des Menschen. Das menschliche Wesen setzt sich zusammen aus 5 Elementen: 1. Axv + 2. Buy + 3. Urva + 4. Daena + 5. Fravashi und aus dem Axv entwickeln sich vier Kräfte (vier Flügel, vier Blätter).

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Art-khuscht (Artha, die Ähre) wird am Firmament mit den Plejaden gleichgesetzt, die im Persischen Sprachraum Khusche Parvin und auch Palm, Sheshak, Pirou u.a., und die im Arabischen Sorayya ( = Thriyya = 3) gennant werden. Aus dieser Ähre (der Xusche Parvin = Plejaden) am Firmament enstehen die sechs Teile der irdischen Schöpfung: 1. der wolkige Himmel, 2. das Wasser, 3. der Boden, die Erde, 4. die Pflanzenwelt 5. die Tierwelt (so insbesondere auch Gaospenta = das „sich vermehrende Rind“, das gleichbedeutend ist mit dem Kleinvieh) und 6. die Menschenwelt. Die Iraner zählten aus dem Grund auch sechs Jahreszeiten, die mit diesem Entstehungszyklus korrespondierten.

Man sah die Plejaden als sechs Keime oder Samen, die sich in einem „Mutterleib“, dem Halbmond, verbinden. Nach der damaligen Vorstellung setzte sich der Vollmond aus den Plejaden und dem Halbmond zusammen. Er zeigte ihren vereinigten Zustand an. Die Plejaden und der Halbmond bilden ein Paar, das „ den Samen und den Mutterleib“ verkörperte, und das man als den schöpferischen Anfang begriff. Aus der Zusammenkunft dieser beider Himmelsteile wurde die Welt geboren.

Die Paarung des Halbmondes mit den Plejaden hieß Vinas (Ghunas), das ursprünglich „Liebe“ bedeutete und für die Urliebe stand. In der zoroastrischen Theologie vollzog sich die Umbildung des Begriffes Vinas zu Gonah, der Sünde, nämlich der Ursünde. Der Begriff entspricht auch dem arabischen Jonah = Sünde.

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Der Halbmond, der Himmelsmuttterleib, spielte die Rolle einer Art Garten, denn dort begannen alle Lebenssamen zu keimen (das Urrind, das im Halbmond ersteht in den Mithras- Darstellungen). Dann werden alle die Sprösslinge in den Tan = den Körper u.z. aller irdischer Lebewesen und Pflanzenkörper gelegt (gestreut, kashtan). Der Körper entspricht in seiner Bedeutung dem „Mutterleib“. Der Mond wird im Kurdischen auch Mang genannt, das ist der gleiche Name, den auch das mythologische Erd-Rind trägt. Sie beide, Mond und Erd-Rind, waren identisch mit der „Ähre“ (Khushe Parvin, den Plejaden). Der zoroastrischen Überlieferung zufolge wachsen verschiedene Pflanzen aus den verschiedenen Organen des Urrindes.

Wie wir bereits erwähnten, war das Wesen „Art-khuschts“ die verbundene Zweiheit. Dies bedeutete auch, dass das männliche und das weibliche zusammengehörig waren (Urrind = Kuh und Stier) und damit verband sich auch die Symbolik der Vereinigung des Samens mit dem Mutterleib. Die Bezeichnung für einen ehrwürdigen Herrn war im Persichen jahr- hundertelang das Wort Khajeh (Khava-je), das Hermaphrodit bedeutet. Auch die heutige Ehrenbezeichnung Djenab trägt diese Bedeutung. Der große iranische Held des Shahnameh, Rostam, wurde Tahm-tan genant (Tokhm-tan = Samen-Mutterleib), das ebenso die Bedeutung von Hermaphrodit trägt. Die zusammengesetzte Zweiheit (Trinität) hatte den Sinn des schöpferischen Agens ( – der Bewegung, des Lichts, des Maßes, der Freude).

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Der Unterschied zwischen dem zoroastrischen und dem mithraischen Urrind ist der folgende:

Das zoroastrische Urrind wird von Angra Mainyu (Ahriman) tödlich verletzt. Das Ziel Ahrimans ist es, das Leben in der Welt zu vernichten. Die „Artha“-Samen sind aber immer siegreich (Pirooz), da sie die Kraft haben, sich immer wieder von selbst zu erneuern. So sind alle Bemühungen Angra Mainyus umsonst. Aus allen Teilen des Rindes (das mit „Parvins Ähre“ / iو3z ﻪ p gleichgesetzt wird) entsteht das Wachstum von neuem durch die Absorbierung des Wassers, das in dem neben dem Rind gelegenem Fluss, dem Flusse Veh Daiti, fliesst. Das Urrind erfährt ein erneutes „Frischwerden“ = Frashgart.

Im Mithraismus ist Mithras der Schöpfer durch seinen Dolch, indem er damit die Ader des Urrindes durchschneidet. Hier fehlt die Darstellung des Flusses. An die Stelle des Prozesses der Wiedererstehung tritt der Akt des Durchtrennens der Lebensadern des All-Lebens durch den Gott mit seinem Kurzschwert. Mit dem Schnitt in die Blutadern bewirkt Mithras die vermeintliche Wiederauferstehung (Frashgart) des Lebens. Wasser kann man nicht zerschneiden oder durchtrennen, aber die Adern, durch die das Blut fließt – die man auch als einen „Fluss“ verstand – konnten durchtrennt werden.

Die Ader war identisch mit der Gottheit Artha. Durch die Opferung findet im Mithraismus die Erneuerung statt, und mit der gewaltsamen Unterbrechung der Lebensadern entsteht der Gedanke des Bündnisses (Mitre) und tritt an die Stelle der Liebe (Mehr).

Der Same und die Vereinigung des Samens mit dem Wasser stellten die Liebe dar, der Vertrag aber kam durch das Durchtrennende zustande.

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