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Das Denken beginnt mit dem Lachen

Simorghi / سیمرغی

a philosophical journal on secular mysticism and iranian culture

Jahrgang 3 / Volume 3

Simorghi, Jahrgang 3, Nr. 1, ISSN 2701-374X, Mai 2022. Das Denken beginnt mit dem Lachen: Die unsterbliche Kultur des Iran.

Via dem DNB-Server: https://d-nb.info/125739634X/34 ; Katalogeintrag: https://d-nb.info/125739634X/

Das Denken beginnt mit dem Lachen: die unsterbliche Kultur des Iran (überarbeitete Version)

Im Jahr 2009 haben Manuchehr Jamali und ich in Eile unser gemeinsames Buch „Das Denken beginnt mit dem Lachen: die unsterbliche Kultur des Iran“ herausgebracht. In dem Jahr zeigte sich die Wehrhaftigkeit eines großen Teils der iranischen Bevölkerung bei den Demonstrationen nach den Präsidentschaftswahlen auf den Straßen Irans. Das Regime begegnete dem Widerstand mit äußerster Gewalt und konnte so über Jahre sicherstellen, dass augenscheinliche Ruhe gewahrt werden musste.

Jamali und ich betrieben schon viele Jahre gemeinsam im Netz Seiten, insbesondere www.jamali.info, auf denen wir mithin auch versuchten andere säkulare politische Aktivist*innen zu unterstützen. Wir schrieben an unserem Buch und ich hatte zu der Zeit kein Autokorrektur-Programm auf meinem Computer – man glaubt es kaum – und auch hatte ich leider zu dem Zeitpunkt damals niemanden, der mir alle Kapitel hätte Korrektur lesen können. Die Idee zu dem gemeinsamen Buch entstand spontan. Ich betrieb die Webseiten von Jamali über seine philosophischen Ansätze und war somit mit vielen seiner Gedanken vertraut, obgleich ich mich auch bis heute eher unsicher und bevorzugt schriftsprachlich in der persischen Sprache bewege (was mir meine iranischen Verwandten und Freund*innen kaum verzeihen). Zudem waren mir die Inhalte von Jamali auch vertraut durch unsere Gespräche miteinander und zu dritt mit Farangis G. Yegane.

Die Auseinandersetzung mit einem säkularen Mystizismus im Erbe früher iranischer Kultur, setzt das in eine denkerische Praxis um, was man als ein passendes, in dem Fall kulturspezifisches Pendant zur heutigen Diskussion über eine Dekolonialisierung im Denken verstehen könnte.

Jamali erkannte bereits während seiner Studienaufenthalte in der BRD der Nachkriegszeit, wie wichtig es ist, sich mit den philosophischen Ansätzen des eigenen Kulturraumes zu befassen. Durch die Kontrastierung und das In-Verhältnis-Setzen westlicher Philosophien und von Rezeptionen klassischer philosophischer Ansätze der Antike beispielsweise, wurde ihm früh klar, was im iranischen Kulturgebiet und dessen Sprachraum gedankliche Dimensionen und Blickwinkel waren, die keinesfalls sowohl im Zuge akademischer Westzentriertheit als auch der politisch-religiösen Problematik, der sich der Iran gegenüber sah und sieht, verloren gehen dürften.

Unter der Gemeinschaft iranischer Exilant*innen tat man sich schwer mit einem Ansatz, der sich gedanklich in fast archäologischer Weise an die Literatur und die Philosophien des eigenen Kulturkreises annäherte und diese mit zeitgenössischer Philosophie und Politik verband. Im Westen „angekommen“ wendete man sich eher den Idealen sozialistischer Nüchternheit und einem einhergehenden Pragmatismus zu oder aber auch den Kompatibilitäten mit kapitalistisch-orientierenten Lebensentwürfen, Neoliberalismus und den allgemeinläufigen Vorstellungen über ein gesellschaftliches sowie individuelles Konformitätsstreben, das sich an den jeweiligen politisch-hegemonialen Prozessen ausrichten wird. Von beiden westlich-zentrieren Achsen her konnte man nun schließlich aber auch eine „Renaissance“ (und einer damit einhergehenden und Kompatibilitätsschaffung) erlernter religiös-politischer Herrschaftsvorstellungen herbeisehnen, als vermeintliche Alternative und Rückbesinnung auf die geschichtlichen Wurzeln im Orient.

Die Auseinandersetzung mit immerhin doch tradierter „alter Geschichte“ aus der eigenen Kultur, mit dem Fokus auf die iranische Sprache als etymologisch wichtigem Gegenstand, schien trotz allem Nationalstolz und trotz aller augenscheinlichen, aber vielleicht doch etwas vordergründigen Kulturpflege, vielen Zeitgenoss*innen einfach nicht nachvollziehbar und als philosophisch-kulturellen Ausgangspunkt nicht tragbar. Sicherlich ist auch heute die Synthese von Mythologie und Philosophie, die eigentlich zwei voreinander untrennbare Themen seien müssten, eher ein Außenseiterthema. Die Vorstellung frühe Geschichte sei ab einem gewissen Punkt zwangsläufig mit irgendeinem Grad an Primitivität gleichzusetzen – gleich wie die Bewertung vermeintlicher Primitivität ausfällt – begegnet uns in der Gegenwart immer wieder.

Jamali hat sich neben seiner Schriftstellerei und seiner Tätigkeit als Herausgeber oppositioneller, pro-demokratischer Meinungsvielfalt in den Jahren zwischen 1960 und 1985 als Galerist mit Hauptsitz in London mit der Kuration und der musealen Repräsentation archäologischer Kunst befasst, mit den Schwerpunkten auf griechische-, römische- und byzantinische Kunst, und im spezifischen mit Ausnahmekunst. Kultur als ein Kontinuum voller innerer Abzweigungen, war für Jamali Gegenstand der kritischen Auseinandersetzung und der Kulturanalyse.

Sprache und Inhalt zusammenzusetzen, gleich einem archäologischen Restaurierungsprozess, mutet in der sprachlich-praktischen Umsetzung vereinfachend an, weil man in die Grundlagen von Sprachen eintaucht. Dies sind überraschende Prozesse, da uns in der Regel alte bildlich-arbeitende Ausdrucksweisen fern sind – und noch ferner, wenn wir westlich geprägt sind, sind uns alte Begriffsbildungen mit Morphemen, die sich nicht auf das Altgriechische oder das Lateinische zurückführen lassen. Eine Annäherung an Mythologeme und damit im Zusammenhang stehende Denkmöglichkeiten ist aber kaum anders möglich als mit einem sich Heranwagen an die alten Bilder und Geschichten und die sprachlichen und inhaltlichen Fragmente.

Ich korrigiere hiermit also nochmal unser Buch über eine frühe iranische Bezugnahme auf das „Sein in der Zeit“ – wie es im Schahnameh Bezeichnung findet. Ein Zeitbegriff und ein Begriff des „in der Welt seins“, der sich säkular-mystisch betrachtet, und sich nicht auf unsere gedanklichen Territorialbegriffe begrenzen lassen muss.

Gita Marta Yegane Arani, Usingen 2022